Unfollow your Heart

Instagram ist schlecht für die Psyche. Diese Wahrheit, die klingt wie der Krone Bunt entnommen, musste ich kürzlich am eigenen Leib erfahren. Die Story eines Freundes lud mich ein, die Profile aller verlinkten Personen zu besuchen. Dabei musste ich feststellen, dass seine beste Freundin mir nach einigen Jahren des gegenseitigen Likens unfollowed war. Nur ein kleiner Zwischenfall, aber immerhin genug, um mir den Tag zu verderben. In der Hoffnung, die beiden würden sich noch auf dem Spaziergang befinden, den ich auf Instagram verfolgt hatte, fragte ich sofort zurück: Warum bitte ist sie mir unfollowed? Der Freund wollte mich zurückrufen, sobald er wieder zuhause war. Doch mein persönliches Insta-Gate war längst angerichtet. Bis zu seinem Anruf vergingen gefühlt Stunden, in denen ich wenig anderes tat, als jede bisherige Interaktion mit besagter bester Freundin auf Abwertungen hin abzuklopfen und mir zu versichern, dass ich eine besonders nette, absolut follow-worthy Person war. Aber warum wurde dieser Vorfall überhaupt zum Gate?

Wann ist ein Gate ein Gate?

Vielleicht liegt es daran, dass es meiner Psyche an diesem Tag von Haus aus nicht besonders gut ging. Wegen der Hitze lag ein schlechtes Schlafi hinter mir. An solchen Tagen wirken Likes und Follows wie ein aufmunterndes Lächeln. Jeder Unfollow hingegen raubt mir ein Stück meiner Seele. In so einem Fall muss man als Creative im Jahr 2025 tun, was einem gut tut. Ich entspanne mich dann, bleibe bei mir, mache etwas Yoga und ritze mich, wenngleich nur im übertragenen Sinne. »Josef, also ich würde jetzt nicht sagen, dass es sich bei diesem Vorfall um ein Gate handelt«, sagte der Freund später am Telefon, »meine beste Freundin feiert einfach deinen Content nicht mehr«. Ich kannte jedoch ihre Follower-Following-Ratio. Jemand, der circa drei Dutzend verwaiste Haustier-Accounts abonniert hatte, würde mir nicht ohne handfesten Grund unfollowen. »Na gut«, gab der Freund auf mein Nachbohren hin zu, »du hast sie bei irgendeiner Lesung nicht gegrüßt«. Ich bedankte mich bei ihm für diese schlüssige Erklärung und war eigentlich ganz zufrieden. Schließlich ist Nicht-Grüßen eine legitime Grundlage für einen Unfollow. Doch ad acta legen konnte ich die Angelegenheit noch nicht.

Josefs aktuelle Termine

Touch some grass

Ich hätte wohl einfach etwas Gras berühren sollen. Die Gedanken über eine abhanden gekommene Followerin waren jedoch attraktiver als alle Grünflächen der Innenstadt zusammen. Am nächsten Morgen schrieb ich ihr eine Nachricht: »Hi, selbstverständlich habe ich dich bei der Lesung gegrüßt. Ich grüße alle. Nur »Stop and Chat« mache ich selten, weil ich eher introvertiert bin. Bekannten unfollowen ist hingegen immer ein bisschen rude, gell. Liebe Grüße, Josef«. Ein treffsicheres Meisterwerk der passiven Aggression! Zufrieden hittete ich Senden. Dann zahlte ich es ihr mit gleicher Münze heim und unfollowte sie ebenfalls. Rache ist süß. Schon witzig, dieser Millennial Urge, soziale Beziehungen minutiös auf Social Media zu spiegeln. Das macht man irgendwie auch nur auf Meta-Plattformen. Auf TikTok ist sowas allen wurscht. Weil ich schon mal dabei war, begann ich gleich ein bisschen auszumisten. Schauspielerin, die mir immer ein bisschen fake um den Hals fällt? Unfollow. Ärztesohn, der sich als Arbeiterführer geriert? Unfollow. Typ, der behauptete, ich würde in meiner »The Gap«-Kolumne nichts anderes tun als persönliche Beefs breitzutreten? Un-fucking-follow!

I ain’t no follow-back girl

Binnen ein paar Klicks kappte ich circa zehn Verbindungen, die ihr Haltbarkeitsdatum bereits überschritten hatten. Erst ein paar Wochen später realisierte ich, dass ich die Welt in diesen Momenten für alle ein bisschen peinlicher gemacht hatte. Denn jede einzelne Person, die ich in meinem Furor unfollowte, sollte mir persönlich begegnen: auf Geburtstagsfeiern, in Kabarett-Vorstellungen, bei Straßenfesten. Einige hatten meinen Unfollow wohl mitbekommen. Die Awkwardness war förmlich zum Angreifen. Das war es schließlich auch, was ich damit erreichen wollte. Manche waren jedoch extra-nett und lösten Zweifel aus, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Einmal saß ich mit dreien von ihnen zufällig an einem Tisch und musste auf die Toilette gehen, um dort schallend zu lachen. Ich kann natürlich nicht genau wissen, ob sie meinen Unfollow überhaupt registriert haben. Niemand würde zugeben, solchen Lappalien Aufmerksamkeit zu schenken oder, technisch versierter, eine Friend-Tracker-App zu verwenden. Viel souveräner wäre ohnehin, gar nicht erst zu unfollowen, sondern sich durch feindlichen Content täglich ein bisschen abzuhärten, was bestimmt auch die Psyche stärkt. Das würde ich der besten Freundin von meinem Freund gern sagen, aber meine Nachricht würde wohl in diesem versteckten Ordner landen.

Josefs aktuelle Termine

Dieser Text erschien in The Gap.