Immer sollen es Gegensätze sein, die einander anziehen: Topf und Deckel, Yin und Yang, Meg Ryan und Personen, die nicht Meg Ryan sind, wenn man den erfolgreichsten Rom-Coms der 90er Jahre Glauben schenkt. Dabei wissen alle mit mehr als drei Kerben im Bettpfosten: Gemeinsamkeiten sind viel wichtiger als Gegensätze. Wenn die soziale und vielleicht auch die geografische Herkunft überlappen, stehen die Chancen für eine dauerhafte Liaison am besten. Wenig schweißt stärker zusammen, als wenn ein Zehn-Euro-Schein ungefähr ähnlich schwer in der Hand liegt oder man zufällig mal auf dem Parkplatz des selben Fachmarktzentrums gefingert hat. Meine Meinung: In der Liebe kann man schon mal die gesellschaftliche Sogwirkung walten lassen. Nichtsdestotrotz fallen uns Unterschiede viel stärker auf, wenn wir einander kennenlernen. Mir vor allem beim Essen. Die Ernährungsgewohnheiten anderer Menschen finde ich meistens extrem weird, als der neurotische Lockenkopf in schultergepolsterten Blazern, der ich bin. Ich komme nicht umhin, mich zu wundern: Warum ernähren sich alle anderen Menschen so komisch?
Koriander yes
Nur um die Facts zu clearen: Koriander yes, Nutella no, Fleisch vom Biobauern nur, wenn ich mit dem Schwein in meiner Kindheit Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt habe, man kennt es. Als Single of many years koche ich außerdem nicht so gerne. Mehr noch: Die meisten Speisen verzehre ich, sofern möglich, direkt aus dem Gebinde im Stehen, idealerweise über der Abwasch. Manchmal im Abstellraum, wenn mir mein eigener Anblick dabei zu deprimierend ist. Zum Naschen dann gerne mal ein Proteinshake, die Kohlenhydrate hole ich mir beim Auslecken von Chipsschüsseln auf Partys. Mit dieser Lebensart bin ich die letzten Jahre ganz gut gefahren. Wie oft habe ich im Gespräch die intensiven Bemühungen, zwölf Minuten Geschirrspülen zu vermeiden, zu meiner ureigenen puristischen Ästhetik erhoben! Bis ich jemanden kennengelernt und beschlossen habe, die Person dauerhaft in mein Leben und meine Küche zu lassen. Die Facts: Koriander yes, Nutella und Fleisch vom Biobauern no, weil er vegan lebt. Anders als für viele Comedians ist Veganismus für mich nämlich kein Dealbreaker. Im Gegenteil: Wenn es mir gerade gut in den Kram passt, behaupte ich sogar selbst, Veganer zu sein. Was eine viel größere Befremdung in mir auslöste: seine Freude am gemeinsamen Kochen.
Was gibt es Neues?
Wenn du jemanden etwas näher an dich ranlässt, findest du den gemeinsamen Nenner am leichtesten beim Frühstück. Einfach beobachten, welche Aufstriche und Brotbeläge dein Gegenüber gerne isst, und sie dann nachkaufen, bis du sie irgendwann selber magst. Zusammen Kochen jagt mir jedoch seit jeher einen Schauer über den Rücken. Ein Horrorszenario kommt in mir hoch: An einem Freitagabend pantsche ich mit einem Partner, den ich aufgrund einer gemeinsamen Labrador-Mischung »Vati« nenne, diverse »Hello Fresh«-Kochboxen zusammen, während im Hintergrund ein Fernsehsender läuft, der nur Wiederholungen von »Was gibt es Neues?« zeigt. Niemals will ich so ein Leben führen! Doch nun stand ich plötzlich im Gourmet Spar und klebte Minus-25-Prozent-Sticker auf die Zutaten für vegane Sommerrollen. »Haben wir noch Tofu? Oh, die Schalotten sind aber nicht aus Österreich! Wie ist das noch mal, magst du eigentlich Koriander oder nicht?« Schon meinte ich, aus dem Lautsprecher die Stimme von Oliver Baier zu vernehmen.
Vetrocknete Landjäger
Jede Beziehung steht und fällt mit der Kommunikation. Das weiß ich als Sexkolumnist natürlich. Doch das ist oft leichter geschrieben als getan. Zuhause ließ ich die Einkaufstaschen auf die Anrichte fallen und schlug einen ernsthaften Ton an. »Du, es läuft eigentlich ganz gut zwischen uns, aber mit so Dingen wie gemeinsam vegane Sommerrollen zubereiten habe ich ein Riesenproblem!« Ich beendete den Satz viel lauter, als ich ihn begonnen hatte, und erschrak vor meinen eigenen Emotionen. Ich sah meinem neuen Freund seine Verwirrung an. Er sagte: »Du hast doch selbst vorgeschlagen, mal diese veganen Sommerrollen auszuprobieren. Das sind ziemlich gemischte Signale, Josef«. »Das ist nicht der Punkt!«, erwiderte ich etwas zu energisch, während ich mir eine meiner schwer zu bändigenden Locken aus der Stirn pustete. »Weißt du eigentlich, dass unter meinem Bett eine vertrocknete Packung Landjäger liegt, an der ich immer lutsche, wenn du schon eingeschlafen bist?« Doch mein neuer Freund legte nur den Arm um mich. »Na und? Solange du dir die Zähne putzt!«. Dann küsste er mich. Wenig später verteilten wir Glasnudeln gleichmäßig auf feuchtem Reispapier. Die Unterschiede schienen gar nicht mehr so groß. Wesentlich ist ohnehin, was zwischen Topf und Deckel passiert.
Dieser Text erschien in The Gap 206.