How I Met My Daddy

Als ich ein Teenager war, stellte ich mir mein zukünftiges Dating Life in etwa so vor wie das Nachmittagsprogramm auf ORF1. Eine Weile wäre wie bei Dawson’s Creek alles fun and games, bevor ich auf einen Schlag erwachsen würde und exakt fünf beste Freunde hätte, die sich zufällig gegenüber wohnten und die Haustür nie absperrten. Kurz nach meinem 30. Geburtstag würde ich in den Hafen einer stabilen Beziehung segeln, mich in Al aus Hör mal, wer da hämmert verwandeln und bis zum Sendeschluss alle, die nicht bei drei auf den Bäumen sind, an meinem Finger ziehen lassen. Bis auf die naturnahe Jugend in einem Touristendörfchen ist alles anders gekommen als gedacht, lose Datingblöcke wechselten sich ab mit seriellen Zusammenhängen. Die Liebe ist eben keine Sitcom und der Weg von der Maybe- in die Never-Abteilung manchmal ein kurzer. Bei jeder Begegnung gipfelt er in derselben Frage: Will they or won’t they?

The ones that got away

Nennen wir ihn Dean. Eine Freundin von ihm überschätzte ihre eigene Matchmaking-Kompetenz und machte uns einander bekannt. Dean ist Mathematiker, lebt im Zweiten, ist zwei Meter groß und hat zwei Penisse. Eines dieser Merkmale ist erfunden, ich möchte hier schließlich niemanden ausstellen. Wir spazierten zwei Stunden auf der Prater Hauptallee und legten dabei unsere Vorstellungen von Zweisamkeit übereinander. Dann war da Logan. Logan ist ein bisschen fame auf Insta und nahm mich ebendort mit fachkundigen Reviews von Fertiggerichten für sich ein. In ein paar hundert DMs arbeiteten wir unsere Lebensgeschichte auf, was in der Planung eines gemeinsamen Spaziergangs mündete. Schließlich traf ich auf Jess. Bei einem Draußen-Rumstehen bannte mich sein durchdringender Blick, überhaupt war Jess von weitem anzusehen, dass er zwölf mal cooler als ich war. In unserem kurzen Gespräch offenbarte er Stil, Weitblick und eine internationale Karriere, was mich auf der Stelle retardieren und Dinge stammeln ließ wie “Was machst du so im Lock-down?” Man könne ja vielleicht mal spazieren gehen.

Lost in the plot

In vielen Fernsehserien gibt es eine Bottle Episode: Ein limitierter Cast spielt einen in sich geschlossenen Plot, der für die horizontale Erzählung keine Rolle spielt. Es ist unnötig zu erwähnen, dass sich in meinem Fall eine Bottle Episode an die nächste reihte. Ob jemand lediglich einen Gastauftritt absolviert, entscheidet sich oft an Details. Zwischen mir und Dean entspann sich zunächst ein angenehmes Gespräch, bis er sich seine Locken aus dem Gesicht strich und erwähnte, er spiele Percussion in einer Salsa-Band. Mein Lächeln gefror schlagartig. Ein zwei Meter großer Percussionist mit Locken – Sideshow Bob, anyone? Ich wusste sofort, dass ich diese Assoziation niemals entknüpfen können würde. Im Fall von Logan kam es erst gar nicht zum Spaziergang. Die intensiven Chats waren too much too soon und täuschten darüber hinweg, dass der Vibe wohl nicht ganz passte, und schon machte sich der gemeinsame Moment auf eine Reise, von der er nie zurückkehren würde. In Sachen Jess löste sich die Spannung noch am selben Abend. Aus Nervosität entschloss ich mich, das Gespräch zu unterbrechen und widmete mich viel zu engagiert einem anderen über irgendeine Dissertation. Als ich den Faden mit Jess wieder aufnehmen wollte, hatte er die Szene bereits verlassen.

Team Jess

Von Dean habe ich nie wieder gehört, Logans Content folge ich weiterhin auf allen Kanälen. Auch Jess sollte mir nie wieder begegnen. Allerdings sollte er niemandem jemals wieder begegnen. Zwei Wochen nach unserem Aufeinandertreffen erreichte mich die Nachricht seines plötzlichen Todes. In diesem Moment zeigte sich mir die Flüchtigkeit dieser Begegnungen mit voller Wucht. Letztlich treffen wir auf viele Charaktere nur episodenweise. Wir kämpfen uns durch ein Dickicht wuchernder Spin-offs und Menschen wie Gouda. Erst nach einigen Staffeln zeigt sich, wer in Erinnerung bleibt, mit etwas Glück in einem abendfüllenden Spielfilm. Am ehesten gleicht mein Dating Life vielleicht noch der Prämisse von How I Met Your Mother. Staffel für Staffel erzählt Ted seinen Enkelkindern von seinen romantischen Erlebnissen, ohne eine Ahnung davon entstehen zu lassen, mit wem er am Ende zusammenkommt. Nur wiederholen sich in echt halt die wenigsten Momente, ganz im Gegensatz zum Sitcom-Line-up im ORF-Nachmittagsprogramm. Aber das ist nur meine Big Bang Theory.

Dieser Text erschien in The Gap, Ausgabe 186.