Er bringt uns ins Schwitzen. Lehrpersonen holen sich gerne einen auf ihn runter. Er sorgt dafür, dass auf Österreichs Hauptplätzen wieder fleißig geleckt wird. Aber ist der Sommer wirklich die geilste Jahreszeit von allen? Ich bin mir da nicht so sicher. Ich glaube, die meisten Leute geben nur vor, ihn zu lieben, und tun so auf carefree. Denn auf so einen Sommer muss man sich vorbereiten. Meistens fange ich schon im Frühjahr an, öfter Sport zu treiben. Spätestens im Mai überlege ich mir dann eine Antwort auf die Frage, was ich im Sommer so machen werde. Heuer bin ich sogar extra Mitglied einer Volkspartei geworden – nur vordergründig um mitzubestimmen, wer sie anführen soll, eigentlich aber um mein Herz einen Sommer lang an irgendeinen hotten Sozi zu verpfänden. Doch all das ist vergebene Liebesmüh. Obwohl ich dreimal die Woche laufen gehe, sehe ich in den paar Momenten des Sommers, in denen ich gut aussehen möchte, verlässlich komplett scheiße aus. Wenn ich mich schlussendlich für einen sozial akzeptierten Plan wie Urlaub auf einer griechischen Insel entscheide, lande ich zielsicher auf Basicos oder Boringiki. Auch die große Liebe ist mir bei der SPÖ bisher nicht begegnet und das ist irgendwie auch eins der vielen Probleme der Sozialdemokratie. Zu alledem dräut der Weltuntergang. Wie zur Hölle soll man einen Sommer genießen, wenn einen jede Wetterlage unweigerlich ans Ende der Menschheit denken lässt?
Summer here kids
Doch Menschen, die den Sommer mögen, kann ein bisschen Doom nichts anhaben. Sie gehen weiter schwimmen und radfahren, als wären sie für immer acht Jahre alt. Deshalb ist die ganze Sehnsucht nach dem Sommer, die sie vorschützen, immer auch vor allem eines: Nostalgie. Noch einmal Verstecken spielen, bis es dunkel wird, noch einmal ein Twinnie entzwei brechen, noch einmal vom Zehner springen, wenn alle zuschauen, vor allem der Papa. Vielleicht lehne ich mich hier etwas weit aus dem Fenster, aber ich denke, dass Leute, die für ihr Leben gern schwimmen gehen, höchstwahrscheinlich Scheidungskinder sind. Noch schlimmer sind nur notorische Nacktschwimmer*innen. Minigolf, Slacklinen, am Gasgrill Hantieren: Es gibt keine Sommeraktivität, die diese Sorte Mensch nicht lieber völlig unbekleidet ausführt. Auf die Gefahr hin, dass man mich für prüde hält: Ich finde Badebekleidung ganz okay. Es hört sich nämlich geiler an als es ist, mit einer Runde Männer um die vierzig nackt UNO zu spielen. Nie wieder. Meine Haltung dazu ändert sich auch nicht, wenn in der Runde mit dem abwaschbaren UNO-Set gespielt wird. Werdet endlich erwachsen. Uno.
Urlaubssperre, bitte!
Was mich komplett auf die Palme bringt, ist das permanente Gerede vom Urlaub. Es beginnt nach Weihnachten und zieht sich durch das ganze Jahr. Dabei unterliegen Leute auch ständig irgendwelchen Urlaubsmoden. Portugal 2017, Österreich 2020, Griechenland alles danach. Unpopular Opinion: Urlaub ist eines der deprimierendsten Gesprächsthemen überhaupt. Nichts sonst verweist so treffsicher auf den Umstand, dass du deinen Alltag für extrem niederschmetternd hältst und große Mühen auf dich nimmst, nur um ihm zwei Wochen zu entfliehen. Wenn ich trotzdem mit wem über Urlaube spreche, tu’ ich der Person entweder einen Gefallen, weil ich sie mag, oder ich will ihr keinen Zugang zu Dingen gewähren, die mich tatsächlich beschäftigen (hotte Sozialdemokraten). Mein 19jähriger Neffe fuhr Anfang Juli auf den »Summer Splash«. Von ihm musste ich erfahren, dass »Summer Splashes« mittlerweile in Kalabrien stattfinden und daraus bestehen, in instafreundlichen und klimatisierten Umgebungen neapolitanische Pizza zu schmausen und Naturwein zu schlürfen. Unsereins verbrachte seine Maturareise noch vorwiegend auf einer Hocktoilette, in die nach zu vielen Sambuca Shots zu »Get busy« von Sean Paul abwechselnd gespieben und geschissen wurde. Maturareisen sind also nur eines von vielen Dingen, die der Gen Z besser gelingen.
Summertime Sadness
Wie Klimaproteste zum Beispiel. Während sich Gen X und Millennials noch an ihre kindlichen Vorstellungen des Sommers klammern, scheint die Gen Z bereits begriffen zu haben, dass sich unsere Welt in kurzer Zeit für immer verändern wird. Die Nostalgie der Sommerliebhaber*innen wird einem anderen Gefühl weichen: der Angst vor dem Weltuntergang. Heute kannst du noch versuchen, das Freibad deiner Jugend zu reproduzieren oder deine eigene Mami spielen und dir ein Eis kaufen. Bald werden die Veränderungen jedoch so brutal sein, dass sich die Folgen der Erderwärmung unentrinnbar in dein Bewusstsein eingravieren. Auf der südlichen Erdhalbkugel ist es nämlich schon längst soweit. Oh. Gerade fällt mir auf, dass ich ein bisschen negativ unterwegs bin für so eine humoristische Kolumne. Es gibt natürlich auch Wege, seinen Sommer ohne schlechtes Gewissen zu verbringen. Du kannst dir zum Beispiel wie Lana del Rey ein rotes Sommerkleid anziehen, deine High Heels abstreifen, deine Füße am aufgeheizten Asphalt wärmen und in der Nacht dem brutzelnden Surren der Stromleitungen zuhören. Dagegen gibt es nicht das Geringste einzuwenden.
Erschienen in The Gap Nr. 200